Der kleine Eichenbaum


Es war Herbst und der Wind, der emsig mit den Eichenblättern spielte und es laut rascheln lies, rollte unbeabsichtigt eine kleine Eichel über das Pflaster, bis sie zwischen zwei mächtigen Steinen liegen blieb. Dort blieb sie nun liegen, zwischen den zwei meterdicken Findlingen, die sie im folgenden Winter vor dem eisigen Wind schützten.

Es regnete, es schneite, und wieder fielen Regentropfen. Doch dann kam die Sonne, es wurde warm. Die kleine Eichel platzte auf und aus ihr heraus sprieß ein kleiner Keim, der in den nächsten Wochen stetig bemüht war aus dem Schatten der Felsen heraus zu kommen, der leuchtenden Sonne entgegen. Ein neuer Eichenbaum war geboren. Er wuchs und wuchs, hatte bald Blätter, so wie die großen mächtigen Verwandten. Und er war stolz darauf.

Dann kamen Menschen, entdeckten ihn zwischen den Steinen, denn er war schon groß, der Kleine.
Schau mal, was dort wächst, sagte ein Mann.
Er meint mich!, dachte stolz der Baum.
Ein kleiner Baum, lachte ein Kind.
So klein, zwischen den Steinen, meinte eine Frau.
Ja, dachte der Baum, hier ist mein Zuhause!
Bald wird er zu groß sein, bemerkte der Mann.
Dann passt er nicht mehr zwischen die Steine, ergänzte die Frau.
Dann reiß ich ihn raus!, rief der Junge, packte den kleinen Eichenbaum an seiner kleinen Krone, zog ihn aus der Erde zwischen den Steinen und warf ihn achtlos weg.

Als die Menschen weiter gegangen waren, lag der kleine Eichenbaum irgendwo außerhalb seines Zuhauses. Während er starb, dachte er sich: Ich hätte die Steine irgendwann beiseite geschoben, ich weiß das, ich wäre ganz groß geworden, ich hätte das geschafft...!




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03.01.2011
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